Gott liebt mich nicht

Ich hab es redlich versucht und bin kläglich gescheitert: Zwei Tage in Folge bin ich durch die Wiener Innenstadt gelaufen auf der Suche nach einem Liebesbrief von Gott, aber nirgends bin ich fündig geworden. Und das, obwohl 400 Valentinsboten der Erzdiözese Wien am 13. und 14 Februar (also rund um den Valentinstag) 100.000 Exemplare des Schreibens an Passanten verteilen sollen. Aber weder am Stephans-, Karls- oder Schwedenplatz entdecke ich einen solchen Postillon d’Amour divin. Vielleicht liebt Gott (oder die Erzdiözese) keine Kirchenaustreter.

Dabei hätt ich so gern den Brief in Echt gelesen. Zumindest hab ich dank Internet-Recherche den vollständigen Text in Erfahrung gebracht:

„Für DICH, meine beste Idee – Valentinstag 2010

Es ist meine Freude, dass es dich gibt. Denn ich habe dich gewollt. Du bist unendlich wertvoll in meinen Augen. Denn ich liebe dich!

Wenn du schwach bist, bin ich deine Kraft. Wenn dein Herz gebrochen ist, bin ich dir nahe. Wenn du scheiterst, trage ich dich. Ich wende mich nicht ab von dir, selbst wenn du Schuld auf dich geladen hast – dann komm! Fürchte dich nicht! Du bist nicht allein. Hab keine Angst, denn ich bin dein Gott.

Mit großer Leidenschaft kämpfe ich um dich. Ich gebe alles, was ich habe, für dich. Geh deiner Sehnsucht nach: Dein Leben ist so viel mehr. Ich will dir ein Leben in Fülle geben. Lass uns wieder einmal miteinander reden.“

Eine durchwegs positive Botschaft – der Glaube an einen bedingungslos liebenden Gott gibt ein Urvertrauen, mit dem sich Alltag wie Ausnahmesituationen meistern lassen. Schade nur, dass die Kirche häufig die Schuld ins Zentrum stellt – siehe etwa die desaströsen Aussagen des oberösterreichischen Beinahe-Weihbischofs Wagner, wonach die Haitianer selbst schuld seien am Erdbeben, weil sie Voodoo praktizieren würden. Und warum soll gleichgeschlechtliche Liebe so verdammenswert sein, wo sie doch genauso wie heterosexuelle Liebe ein Abbild der göttlichen Liebe sein kann?

Nachtrag: Die Fragen mit der Schuld und der Ablehnung von gleichgeschlechtlicher Liebe habe ich auch in einer Antwort-Mail an Gott gestellt. Andrea Geiger von der Erzdiözese Wien hat stellvertretend für Gott geantwortet:

„Sehr geehrter Herr Licht,

herzlichen Dank für Ihre Rückmeldung auf die Liebesbrief-Aktion!

Zu Ihrer Schuld-Frage: Ich denke, dass wir als Kirche sehr vorsichtig damit umgehen müssen – gerade auch weil wir sejber Schuld auf uns geladen haben. Mir erscheint wichtig, dass ich mir selber meiner persönlichen Schuld bewußt werde und bin – täglich – vorallem im Umgang mit meinen Mitmenschen und dort, wo ich Verantwortung trage. Aber ich kann das im Vertrauen darauf, dass Gott mich liebt und mir hilft die notwendigen Schritte zur Versöhnung zu gehen.

In dieser Freiheit allerdings muss ich es auch aushalten, das andere Menschen andere Positionen haben, die meinen nicht entsprechen. Ich hoffe sehr, dass wir als Kirche immer mehr Abbild der Liebe Gottes sein können. Aber das liegt wiederum in der Freiheit jedes einzelnen Mitglied – dazu wollen wir einander auch motivieren und manchmal auch ermahnen…

In diesem Sinn – nochmal Danke

Alles Liebe

Andrea Geiger“

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